PAR-CE-VAL (durch dies Tal) - Drogenkonsum im Jugendalter als eine überwindbare Talsohle des Lebens

Als die Initiatoren 1999 die Arbeit der „PAR-CE-VAL Jugendhilfe im Verbund“ begonnen haben, konnten sie auf zwei sich ergänzende Referenztheorien und ihre bis dahin vorliegenden Erkenntnisse aufbauen, die „Anthroposophie“ und die „Integrative Therapie“. Eine solche „Kombination“ zeigt eine Neuorientierung in der langen therapeutischen und heilpädagogischen Tradition der Anthroposophie, die damit Konzepte der klinischen Sozialtherapie und klinischen Psychologie für ihre Einrichtungen fruchtbar zu machen sucht. Ihr „ganzheitlicher“ Ansatz verlangt dabei eine konzeptuelle „Anschlussfähigkeit“, und diese hat sich in der „Integrativen Therapie“ angeboten, so dass sich besonders im Suchtbereich verschiedene fachliche Kooperationen ergeben haben (vgl. Petzold, Ebert et al. 2006). Die Herausforderung bestand darin, jungen bis sehr jungen Menschen mit schweren Anpassungsstörungen sowie Drogen- und Alkoholproblemen einen Betreuungsrahmen zu ermöglichen, der die Qualitäten einer strukturierten klinischen Einrichtung mit Qualitäten und Möglichkeiten einer Jugendhilfeeinrichtung erfolgreich verbindet. Damals gingen die Initiatoren davon aus, dass dies nur über einen stark beziehungsorientierten und engagierten Ansatz sozialer Arbeit gelingen konnte, Diese Annahme hat sich in der Praxis der letzten Jahre bestätigt und wird von den Ergebnissen der aktuellen Erhebungen zu „therapeutischen Wirkfaktoren“ — ein zentrales Konzept des Integrativen Ansatzes (Petzold 2003a, 745, 1037) — in unseren Einrichtungen dokumentiert. Tatsächlich wird den Jugendlichen durch einen hohen Partizipationsgrad die Möglichkeit zur Mitgestaltung und damit auch zur Verbindung und Identifikation mit der Einrichtung bzw. dem Träger gegeben.

 

Der Name PAR-CE-VAL wurde zum einen in Anlehnung an die Parzival-Legende gewählt, zum anderen als Wortspiel aus dem Französischen „durch dies Tal“. So wird z.B. Drogenkonsum im Jugendalter als eine überwindbare Talsohle des Lebens gesehen. Diese Legende beschreibt die Suche des Menschen nach der eigenen Individualität, die uns als idealtypische Darstellung ein gutes Bild der Thematik Jugendlicher vermitteln kann. Parzival ist ein junger Mensch, dessen Mutter ihn vor der Welt beschützen möchte, vor allem weil sie ihn nicht genauso wie seinen Vater verlieren möchte. Er jedoch spürt einen starken Drang, in die Welt zu ziehen. Die Mutter versucht dies erfolglos zu verhindern, sie stattet ihn nur schlecht aus, damit er verzagt und zu ihr zurück kehrt. Parzival löst sich von der Mutter. Eine lange Odyssee beginnt, Parzival macht viele „Fehler“, begeht Taten, die er bereut, er unterlässt bestimmte Taten, was er ebenfalls bereut, er ist oft verzweifelt. Parzival geht „seinen Weg“, ohne recht zu wissen wohin. Die Begegnung mit anderen Menschen und deren Hinweise helfen ihm, die richtigen Fragen an das Leben und an sich selbst zu entwickeln, um somit auch seinen Platz in der Welt zu finden.

 

Die PAR-CE-VAL Jugendhilfe im Verbund ist ein Netzwerk von drei eigenständigen gGmbHs: PAR-CE-VAL Jugendhilfe Berlin gGrnbH, PAR-CE-VAL Jugendhilfe Brandenburg gGmbh, PAR-CE-VAL Jugendhilfe Sachsen gGmbH. Dieses Netzwerk ist Teil eines größeren Trägerverbundes, zu dem auch ein Krankenhaus, medizinische Versorgungszentren sowie andere pädagogische, soziale und medizinische Einrichtungen gehören.

 

Alle Gesellschaftsanteile der deutschen gGmbHs werden vom „Gemeinnützigen Verein zur Förderung und Entwicklung anthroposophisch erweiterter Heilkunst e.V. Berlin“ gehalten. Dadurch bilden die Gesellschaften untereinander eine steuerliche Organschaft. Der Verein, der Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrts Verband ist, hat seinen Sitz in Berlin und ist in das Vereinsregister am Amtsgericht Charlottenburg eingetragen. Die Satzung des Vereins sieht vor, dass die durch die anthroposophische Welt- und Menschenerkenntnis erweiterte Heilkunst, insbesondere auf dem Gebiet der Medizin, der Heileurythmie, der anthroposophischen Heilpädagogik, der Jugendhilfe, der Pflege und der künstlerischen Therapie, gefördert und weiterentwickelt werden soll. Die gGmbHs unterhalten stationäre und ambulante Einrichtungen der Jugendhilfe, unter der Fachaufsicht der jeweiligen Bundesländer. Die Finanzierung erfolgt über Tagessätze, eine Auslastung von mindestens 95% ist erforderlich, um kostendeckend zu arbeiten. Die Geschäftsführungen und therapeutischen Leitungen aller gGmbHs und Einrichtungen werden in Personalunion durch einen festen Personenkreis wahrgenommen, dadurch wird eine gemeinsame strategische Planung und Handlung gesichert.

 

Aufnahme finden junge Menschen, unabhängig von Geschlecht, Religion und Nationalität, die in ihrer aktuellen Lebenssituation von Drogenabhängigkeit betroffen sind, oder bei denen eine starke Gefährdung vorliegt, und eine Manifestation der Problematik bei ausbleibender stationärer Hilfestellung als wahrscheinlich erscheint. Drogenmissbrauch und Abhängigkeit ist häufig von abweichendem Verhalten wie z.B. Straffälligkeit begleitet, dies ist daher kein Ausschlusskriterium. Nicht selten stehen Drogenmissbrauch und -abhängigkeit in Wechselwirkung mit psychischen Störungen (Komorbidität), womit diese ebenfalls kein Ausschlusskriterium bilden. Als geeignete Altersgruppe (bei Aufnahme) werden 13- bis 18-Jährige gesehen, wobei Ausnahmen das Alter betreffend möglich sind. Bei Vorliegen der Kostenübernahme durch die Heimatbehörde und bei gegebener Indikation ist auch eine überregionale Aufnahme möglich. Mit der Orientierung an der Anthroposophie und auf der Grundlage der Integrativen Therapie wird jungen Menschen in der schwierigen Phase ihrer Persönlichkeitsentwicklung in „Rund um die Uhr Betreuung“, mit heilpädagogischen, sozialpädagogischen, psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen Hilfestellung geleistet, wie diese konzeptuell durch den integrativen jugendlichen psychotherapeutischen Ansatz geboten wird. Die jungen Menschen erhalten einen Rahmen, in dem sie Orientierung bekommen, um aus der oft „gelernten Hilflosigkeit“ herausfinden. Sie lernen, die Konflikte des Lebens handzuhaben, ihre schöpferisch kreativen Fähigkeiten zu entfalten. Sie erleben sich idealerweise als Gestalter ihrer Biographie, sie lernen ihre Sozialbeziehungen fruchtbar zu gestalten sowie ihre gesellschaftlichen Teilhabechancen zu ergreifen. Nicht zuletzt bekommen sie Hilfestellung, eine geschlechtsspezifische, gesellschaftliche und berufliche Identität im Sinne der Integrativen Identitätskonzeption (Petzold 2001p) zu entwickeln, um in einer demokratischen Gesellschaft verantwortlich und initiativ mitzuwirken.

 

Für die Verwirklichung der genannten Ziele ist ein institutioneller Verbund an Angeboten entstanden, der den jungen Menschen eine Kultur und Wertekontinuität bietet. Dazu gehören stationäre Einrichtungen mit einer intensiven Eingangs- und Aufbauphase, geeignete Beschulungsformen, die zu anerkannten Abschlüssen führen. Individuelle und flexible temporäre Angebote, die jungen Menschen, die besondere Anpassungsprobleme haben, einen Einstieg ermöglichen (wie z.B. Auslandsprojekte etc.). Wohngruppen mit Außenorientierung und der Zielsetzung, die Jugendlichen nachhaltig in die Verselbständigung zu führen, psychosoziale Ambulanzen, die als Anlaufstelle im Sinne einer Nachsorge nach der stationären Phase zur Verfügung stehen und betroffenen Jugendlichen und ihren Angehörigen Beratung und Orientierung bieten, sind genauso erforderlich, wie pädagogisch begleitete Ausbildungsmöglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt.

 

Der Ansatz von PAR-CE-VAL kann verstanden werden als eine theoretisch orientierte und planvolle Arbeit mit Jugendlichen, die das Ziel verfolgt, die sozialen und personalen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Hinblick auf eine persönliche und gemeinschaftliche Gestaltung der Lebenswirklichkeit zu entwickeln, zu fördern und zu unterstützen. Es wird auf ein menschliches, heilend soziales und kulturelles Milieu abgezielt. Gemeinschaft bietet einen Schutz, insbesondere vor der Anziehung der Droge und der „Szene“. Hier findet Nachsozialisierung und Nachreifung (Rahm et al. 1990) ebenso statt wie die Möglichkeit zur Bildung einer stabilen Identität im gesellschaftlichen Kontext, sodass versäumte Lernprozesse zur Fähigkeit mit schwierigen Aspekten des Lebens umgehen zu können, nachgeholt werden. Es werden Nähe- und Solidaritätserfahrungen gemacht, die Kontakt-, Begegnungs-, Beziehungs-, Bindungs-, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit wird gestärkt, sowie die Frustrationstoleranz und die Willenskompetenz und -performanz, ein zentrales neurobiologisch fundiertes Anliegen der Integrativen Therapie, gesteigert (Petzold, Schay et al. 2006). Diese Erfahrungen helfen, die Einzelgängermentalität der Drogenszene und die, aufgrund traumatischer Erfahrung entwickelte, emotionale Isolierung zu überwinden. Die Gemeinschaft ist Spiegel und Lernhilfe. Des Weiteren wird gezielt ein Heranführen an künstlerische und kulturelle Inhalte, die sinnstiftend sein können, geboten. Ziel aller Interventionen ist das Beheben von Defiziten und Entwicklungsstörungen, als auch das Wachstum und die Reifung des ganzen Menschen. Den jungen Menschen werden ein geschützter Raum und ein beschützendes Milieu geboten, in dem ein Durcherleben und Verarbeiten von Mangelerfahrung, Verletzung und Kränkung, von traumatischen und schädigenden Ereignissen und ungelösten Konflikten möglich ist.

 

Die Gemeinschaft bietet Schutz, Raum, Solidarität, Unterstützung und eine Atmosphäre der Akzeptanz sowie Wertschätzung und ermöglicht den Jugendlichen so, neue Verhaltens- und alternative Handlungsweisen zu entwickeln und auszuprobieren. Die Bildung einer stabilen Identität wird gefördert und unterstützt. Kontakte, Begegnungen und Beziehungen werden im Zusammenleben über einen längeren Zeitraum und in einer überschaubaren Gemeinschaft ermöglicht. Durch den geteilten Lebensraum, dem gemeinsamen Lernen, Arbeiten, Zuhören, Erzählen, Planen, Ausprobieren und Bewältigen von Konflikten, wird ein Plateau von Sicherheit und Vertrauen geschaffen. Auf dieser Basis können auch negativ erlebte Emotionen und Affekte wie Neid, Eifersucht, Frustration, Aggression und Kritik konstruktiv bearbeitet werden, Gelöste Konflikte, ausgehaltene Spannungen und bewältigte kritische Ereignisse führen zu einer Erhöhung des Selbstwertes und damit zu einer größeren Problemlösekompetenz und einer umfassenderen Gruppenfähigkeit. Fähigkeiten, die im „Alltag draußen in der Welt“ dringend zur Gestaltung befriedigender Sozialbeziehungen in den unterschiedlichsten Kontexten (Schule, Beruf, Familie, Arbeit, Freizeit) benötigt werden. Verschiedene Rollen, Aufgaben und Verantwortungsbereiche sind in der Gemeinschaft zu übernehmen. Die Jugendlichen können sich darin ausprobieren, diese aktiv zu gestalten. Bestätigung und Selbstvertrauen können generiert werden, und mit wachsendem Selbstbewusstsein und zunehmender Selbstsicherheit erhöhen sich die eigene Kritikfähigkeit sowie die Fähigkeit, konstruktive Kritik zu üben.

 

Die Einbindung der Herkunftsfamilie in die Arbeit von PAR-CE-VAL ist ein wichtiges Anliegen; wo immer möglich und im Interesse des Jugendlichen sinnvoll wird versucht, die Familie einzubeziehen (Petzold 2006v). Die Zusammenarbeit mit der Familie erfolgt durch regelmäßige Gespräche, um die Position des Jugendlichen in der Familiendynamik deutlich zu machen, und ein Verständnis beim Jugendlichen und der Familie für vorhandene Konflikte zu erarbeiten, sowie neue Lösungswege zu finden. In diesem Sinne werden neue Konzepte überdacht und dem Einzelfall entsprechende Lösungen gesucht. Ein Beispiel, das an dieser Stelle erwähnt werden kann, ist das Probewohnen des Jugendlichen mit den Eltern auf dem Gelände, um die Beziehungsdynamik und die Übertragungsmuster mit fachlicher Hilfe zu bearbeiten. Ein weiteres Beispiel sind regelhafte Elternseminare und regelmäßige themenzentrierte Abendgruppen mit Eltern und Jugendlichen, um die unterschiedlichen Erlebniswelten anzunähern. Bei all dem ist es wichtig, im systemischen Sinne das Bezugssystem Familie nicht auszuschließen und daran vorbei zu arbeiten oder gar in destruktive Bündnisse mit der einen oder der anderen Seite zu geraten. Es bleibt immer im Einzelfall zu prüfen, welche Intervention sinnvoll und konstruktiv erscheint, und welche neuen kreativen und durchaus auch unkonventionellen Lösungen in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Hilfeplan möglich sind. Die Lebenslagen von Familien, Kindern und Jugendlichen werden in ihrer Ganzheitlichkeit und als komplexes soziales System wahrgenommen.

 

Durch die Kooperation mit anderen Trägern der Jugend- und der Suchthilfe wird über Trägerinteressen hinaus die optimale Hilfeform für die Betroffenen ermittelt und ermöglicht. Kinder, Jugendliche und Familien können durch die Einbindung der Hilfen in das Gesamtangebot der Jugendhilfe- und Suchthilfeangebote sowie der anthroposophischen Initiativen, durch verschiedene Hilfeformen begleitet werden. Damit wird eine kontinuierliche Hilfeplanung für die Kinder und Jugendlichen möglich gemacht. Wechsel der Betreuungsformen, die z.B. notwendig werden durch Phasen von Selbständigkeit und intensiveren Hilfebedarf, können so für den Einzelnen im Projekt-Verbund sinnvoll und flexibel gestaltet werden.

 

Der Arbeit von PAR-CE-VAL wird als lebensweltorientiert und integrativ verstanden, Eltern- und Familienarbeit haben ebenso einen hohen Stellenwert, wie das Einbeziehen der sozialen, regionalen, kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Zu Beginn der Betreuung wird eine umfassende, psychosoziale und medizinische Diagnostik erhoben, die im weiteren Verlauf des Aufenthaltes fortlaufend ergänzt wird. Diese diagnostischen Erkenntnisse, zusammen mit dem Hilfeplan, welcher mit dem Jugendamt, den Angehörigen und dem Jugendlichen gemeinsam erstellt wird, sind die Grundlage für einen individuellen Entwicklungsplan jedes Jugendlichen. Dieser wird fortlaufend reflektiert, ergänzt oder abgewandelt.

 

In diesem Sinne wird von einer prozessualen Diagnostik und von prozessualen Entwicklungsplänen gesprochen. Obligatorisch sind zudem eine umfassende testpsychologische Begabungs- und Leistungsdiagnostik sowie das Erheben von Persönlichkeitsinventaren. Entsprechend den erarbeiteten Entwicklungsplänen kommen spezifische Maßnahmen zur Anwendung, die in dem Rahmenkonzept zur Verfügung stehen. Zum Rahmenkonzept gehören auch der Aufbau von Bezug zur Natur, bewusste Vollwerternährung und die harmonische Gestaltung von Wohn- und Lebensraum sowie rhythmische Kontinuität im Tageslauf. Viele Jugendliche bringen empfindliche Störungen und Kränkungen ihrer jungen Persönlichkeit mit; hierfür bedarf es an Raum, um mit den Jugendlichen diese Themen zu bearbeiten. Gleichzeitig ist die intensive Gruppendynamik der Bezugsgruppen darauf angewiesen, begleitet und geführt zu werden, destruktive Tendenzen zu erkennen, aufzufangen und ins Positive umzulenken Weiterhin muss gezielt Sozial- und Gemeinschaftsfähigkeit angelegt werden. Mit den Einzelgesprächen wird die Möglichkeit geschaffen, über feste Bezugspersonen eine kontinuierliche, vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, die sozusagen als „pädagogisches Halteseil“ den Jugendlichen bei der Bewältigung von Konflikten, Krisen und schwierigen Situationen begleitet. Mit jedem Jugendlichen werden regelmäßige Einzelgespräche geführt, je nach Alter und Entwicklungsstand können diese Gespräche eher beziehungsorientiert und auf Zuwendung ausgerichtet, oder mehr auf die Erkenntnisbildung zielend und aufdeckend sein. Die regelmäßigen Gruppengespräche sind entweder themenzentriert, indikativ oder gehen auf die Gruppendynamik ein. Es ist ein wichtiges Anliegen, die Funktionsbereiche der Einrichtung aus der Gemeinschaft heraus abzudecken, sowie, zumindest im Ansatz, den Selbstversorgungsgedanken, z.B. durch eigenen Gemüseanbau, aufzugreifen. Hierdurch ergeben sich für die Jugendlichen Arbeits- und Verantwortungsbereiche, wie z.B. Küche, Hauswirtschaft, Renovierung, Gartenbau. Dies hilft in sehr positiver Weise, den Lebensraum zu ergreifen und sich mit diesem über den üblichen Rahmen einer Institution hinaus zu identifizieren, Bei voranschreitender Verselbständigung werden Praktika zur beruflichen Orientierung in kooperierenden Betrieben des ersten Arbeitsmarktes durchgeführt.

 

Ziel der Arbeitspädagogik ist die Entwicklung und Förderung von Fertigkeiten/ Performanzen und Fähigkeiten/ Kompetenzen, sowie die Entwicklung einer realistischen und angemessenen Arbeitshaltung. Durch Arbeit verwandelt der Mensch die Welt. Arbeit ist ein wesentliches Moment seiner Selbstverwirklichung und zugleich Dienst am anderen Menschen. Für den Einzelnen ist es ein wesentliches und wichtiges Erlebnis, in einen Arbeitsprozess einbezogen zu sein und Wertschätzung zu erfahren. Die besondere Bedeutung der Arbeit wird auch darin gesehen, die Jugendlichen bei einem inneren Prozess der persönlichen Stabilisierung zu unterstützen.

 

Durch den wiederkehrenden Rhythmus entstehen eine förderliche Kontinuität und ein realitätsbezogenes Zeitgefühl, durch die körperliche Betätigung entsteht ein gesundes Körpererleben, welches sich positiv auf viele Bereiche auswirkt, wie z.B. auf den Appetit, aufdas Schlafverhalten etc.. Einer aktiven Freizeitgestaltung kommt im Leben eine wichtige Rolle zu, jedoch muss sie meist erst erlernt werden. Oft pflegen jugendliche Drogenkonsumenten eher eine passive, aufnehmende Freizeitkultur, in der sie von Reizen berieselt oder überschüttet werden. Den Künsten, der Arbeit mit „kreativen Medien“ (Petzold, Orth 2007) und anderen Angeboten der Einrichtung, fällt in diesem Bereich eine große Bedeutung zu. Es wird den Jugendlichen im Sinne einer erweiterten Erlebnispädagogik die Möglichkeit geboten, eine breite Palette an aktiven Freizeitgestaltungsmöglichkeiten zu erfahren und die Fähigkeit zu entwickeln, Freizeit bewusst zu gestalten, Hobbys auszubilden etc. . Es wird unter anderem Wert gelegt auf kulturelle Veranstaltungen wie Konzert-, Theater- und Museenbesuche. Gezielte Freizeitprojekte, wie z.B. Segeln, Klettertouren usw. werden mit den Jugendlichen geplant, durchgeführt und gemeinsam ausgewertet. Große Bedeutung haben auch künstlerische Projekte, wie z.B. die eigene semiprofessionelle Produktion einer Hip-Hop-CD oder die Realisierung eines semiprofessionellen Filmprojekts.

 

Bewegung bzw. Sportpädagogik hat im Konzept ihren festen Stand. Insbesondere im Bereich der Motivationsbildung können so große Erfolge erzielt werden. Für Jugendliche ist jede Form körperlicher Betätigung von großer Bedeutung, weil sie dazu beiträgt, dass der Leib richtig ergriffen wird. Gerade in der Pubertät ist dies sehr wichtig, da der sich verändernde Leib oft als fremd erlebt wird. Das Spiel, z.B. Ballspiele, sind in besonderer Weise geeignet durch das Eintauchen und „sich vergessen“ diese Fremdheit zu überwinden und Ganzheitserlebnisse zu erfahren. Kung-Fu, Capoera (Bloem et al. 2004), Leichtathletik, Gymnastik, Volleyball, Fußball, Schwimmen, Basketball sind einige der möglichen Angebote. Besonders erfolgreich erweist sich in diesem Bereich ein moderat aufgebautes Lauftherapieprogramm (Schay et al. 2006); in den vergangenen Jahren haben viele Jugendliche (aber auch Mitarbeiter) das Laufen für sich entdeckt und auch aktiv an Marathonveranstaltungen teilgenommen.

 

Die Künste gehören zu den ältesten Formen der heilenden Pädagogik. Die Anthroposophie hat eigenständige kunstpädagogische und kunsttherapeutische Formen hervorgebracht, die z.B. in eigenen staatlich anerkannten Fachhochschulen (Ottersberg) oder Hochschulen (Witten Herdecke) gelehrt werden. Prinzipiell ist zu sagen, dass die Künste alle Sinne des Menschen anzusprechen vermögen. Sie aktivieren die Perzeption, stimulieren sensorische Wahrnehmung und wirken somit kreativierend auf die Gesamtpersönlichkeit. Es werden aber auch alle, mit den Sinnesvermögen verbundenen, Ausdrucksmöglichkeiten angeregt. Wichtig ist in unserem Ansatz, dass nicht nur ein Sinnes- und Ausdrucksvermögen einbezogen wird, sondern, dass alle Sinnes- und Ausdrucksvermögen einbezogen werden. Hier ergibt sich eine organische Schnittstelle zwischen dem anthroposophischen Ansatz und der integrativtherapeutischen „Anthropologie des schöpferischen Menschen“ (Orth, Petzold 1993). Schaut man auf die Abgestumpftheit vieler drogenkonsumierender Jugendlicher, wird deutlich, wie sehr anregende, die kreativen Fähigkeiten ansprechende Tätigkeiten notwendig sind. Die verschiedenen kunstpädagogischen und kunsttherapeutischen Möglichkeiten werden im Rahmen der Arbeit in dreifacher Hinsicht eingesetzt: einerseits mit diagnostischer Absicht, denn in der Gestaltung können sich unbewusste Konflikte, verdrängte Probleme zeigen (Osten 2004). Traumatische Erfahrungen, für deren entsetzliche Qualität „keine Worte“ gefunden werden, können in Formen und Farben Gestalt gewinnen, so, dass das eigentlich Unfassliche fassbar wird. Andererseits kann die Öde und Leere, die als Folge von Defiziterfahrungen in Jugendlichen als Atmosphären der Niedergeschlagenheit wirksam werden, durch die erlebnisstimulierende Kraft der künstlerischen Tätigkeiten mit alternativen Erfahrungen gefüllt werden. Die heilendeWirkungvon Schauspielarbeit ist z.B. sehr umfassend und in jedem Einzelfall sicherlich anders. Trotzdem lassen sich einige charakteristische Wirkungsweisen der Schauspielarbeit festhalten. Darstellende Mittel heilend angewendet, richten sich gegen Isolierungstendenzen. Oft kehren Jugendliche mehr und mehr in sich selber, sondern sich ab, vereinsamen, kapseln sich ab und kommen nicht mehr ohne Anstrengungen in einen offenen, lebendigen Bezug zur Welt und zu den Menschen. Diese Tendenz kann man bei vielen verletzten und traumatisierten Jugendlichen beobachten, wobei dies bei Drogenabhängigen besonders stark ausgeprägt ist. Mittels dramatischer Gesetzmäßigkeiten und Mittel kann dann versucht werden, den Rückzugstendenzen entgegenzuwirken, die Sinne und das Ausdrucksverhalten zu stimulieren, den Jugendlichen in der Interaktion zu konfrontieren, ihn „aus der Haut“ und „in die Haut eines Anderen“ schlüpfen zu lassen. Der Jugendliche kommt in die Situation, wirklich sichtbar zu werden, nicht nur auf der Bühne. Er begegnet seinen Ängsten aber auch seiner Freude. Er spürt wieder, dass er lebt. Er erlebt, dass er durch intensives Üben und Arbeiten an seiner Rolle seine ursprünglichen Grenzen ausweiten kann, so dass Wachstum möglich ist.

 

Viele Jugendliche haben keinen Schulabschluss oder trotz Schulbesuchs erhebliche Wissensdefizite, meist liegen Konzentrations- und Lernstörungen vor. Legasthenie und Rechenschwäche ist keine Seltenheit. Mit gezielten pädagogischen Angeboten werden die genannten Bereiche unterstützt. Da der Besuch regulärer Schulen aufgrund der individuellen Entwicklungssituation in der Regel nicht möglich ist, wird eine hausinterne waldorfpädagogische Beschulung mit staatlich anerkannten Abschlüssen (bis zur mittleren Reife) angeboten. Das gesamte Betreuungskonzept ist bildungspädagogisch ausgerichtet und wird in das Beschulungskonzept integriert. Die Beschulung findet in sehr kleinen Lerngruppen statt, bei Bedarf erfolgt auch Einzelbeschulung.

 

Es bestehen verbindliche Kooperationen der Einrichtungen untereinander, dadurch können bei pädagogisch/therapeutischer Notwendigkeit Querbelegungen und Wechsel erfolgen. Alle ärztlichen Praxen des Medizinischen Versorgungszentrums Havelhöhe (gleiche Trägerschaft) stehen nach Bedarf zur Verfügung. Ebenso die einzelnen Abteilungen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Berlin (gleiche Trägerschaft), insbesondere handelt es sich dabei um die Abteilungen für Psychotherapie und Psychosomatik. Es stehen mehrere flexibel nutzbare Bauernhöfe und freie Mitarbeiter im gesamten Bundesgebiet für differenzierte Hilfemaßnahmen zur Verfügung. Mit den regionalen Psychiatrien gibt es Kooperationsvereinbarungen. Entsprechend dem entstehenden Bedarf werden zusätzliche Gliedeinrichtungen aufgebaut, wie z.B. weitere Außenorientierungsphasen in Potsdam sowie in Leipzig und ein neuer Standort an der türkischen Mittelmeerküste. In Planung ist die Eröffnung eines Gästehauses auf dem Gelände des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe, welches von PAR-CE-VAL betrieben wird und 9 weitere Ausbildungsplätze für junge Menschen bietet. Der Aufbau von einem landwirtschaftlichen Hof auf dem ehemaligen Gelände des Flughafens Gatow (Berlin) ist ebenfalls in Planung.

 

Zurzeit hat der Standort in Kladow (Berlin) 9 stationäre Plätze mit 7 päd. Vollzeitkräften und bietet bis zu 10 ambulante Plätze. Der Standort in Groß Glienicke (Brandenburg) bietet 14 stationäre Plätze mit 12 päd. Vollzeitkräften, der Standort in Kloster Lehnin bietet jeweils 14 Plätze in 2 Einrichtungsteilen und der Standort in Töpeln (Sachsen) 12 Plätze. Zusätzlich werden in allen Einrichtungen Mitarbeiter in Funktionsbereichen wie Haustechnik und Hauswirtschaft sowie Lehrkräfte für den Beschulungsbereich beschäftigt. Es bestehen in allen Einrichtungen eigene Ausbildungsplätze, die überwiegend von ehemaligen Jugendlichen in Anspruch genommen werden. 

 

Die meisten der Mitarbeiter sind Sozialpädagogen/Psychologen/Pädagogen mit Hochschulabschluss, der Erzieheranteil (Fachschulabschluss) in der Mitarbeiterschaft ist eher gering.

 

Aufgrund des spezifischen Qualifikationsbedarfs wird ein eigenes Waldorflehrerseminar zur Qualifizierung der Kollegen bis zur Anerkennungsreife durch das Schulamt in Kooperation mit dem Waldorflehrerseminar Berlin unterhalten. Eine so komplexe pädagogische, heilpädagogische und therapeutische Arbeit, wie wir sie anbieten, bedarf der fachlichen Beratung und supervisorischen Begleitung, für die uns Supervisoren unterstützen, die eine integrative Ausrichtung haben und für unser Aufgabenfeld eine entsprechende Feldkompetenz aus dem Feld der Jugendarbeit mitbringen, die aber auch über eine Fachkompetenz in Fragen der Entwicklungspsychologie des Jugendalters und aus dem Bereich der Jugendforschung verfügen, um uns in der Supervision konkreter Klientensituationen fachlich fundiert zu unterstützen. In einem auf Kontinuität ausgerichteten Qualifizierungsprogramm werden alle Mitarbeiter in der integrativen Suchttherapie (nach Prof. Dr. mult. Hilarion G. Petzold) ausgebildet, wobei auch ergänzende anthroposophische Inhalte vermittelt werden.

 

Seit Gründung der ersten Teileinrichtung wird kostendeckend gearbeitet, der zum Teil unkonventionelle Arbeitsansatz wird bei den betreuten Jugendlichen und belegenden Ämtern gut aufgenommen. Für viele Jugendämter und psychiatrische Abteilungen im Raum Berlin/Brandenburg ist PAR-CE-VAL bei jugendlichen Drogenabhängigen die Einrichtung der Wahl, wenn ein beziehungsorientierter Ansatz für sinnvoll gehalten wird. Aufgrund der hohen Nachfrage (trotz erheblicher Konkurrenz in dem Berliner/Brandenburger Jugendhilfesektor) wurden weitere Teileinrichtungen in Betrieb genommen. Bei einem recht hohen Leistungsanspruch und einer Betonung der Mitwirkungspflicht der Jugendlichen ist die Haltequote trotzdem sehr hoch, bisher zwischen 80 und 90% (80 bis 90% aller aufgenommenen Jugendlichen bleiben länger als 6 Monate in der Maßnahme). Insbesondere in der Arbeit mit Drogen konsumierenden Jugendlichen besteht das Problem, dass diese Jugendlichen aufgrund ihrer Gegenwartsorientierung und der niedrigen Frustrationstoleranz in Konfliktsituation, aber auch bei Langeweile und Unlust weglaufen bzw. die Maßnahme abbrechen. Gerade an diesem Punkt zeigt der beziehungsorientierte, fördernd-fordernde Ansatz, verbunden mit viel Aktivität im Tagesablauf, Tragfähigkeit.

 

Alle Maßnahmen in den Einrichtungen sind verpflichtend, mit einem täglichen Feedbacksystem werden die Jugendlichen regelmäßig über ihren Leistungsstand informiert, es muss in der ersten Phase auf TV, Computerspiele und zum Teil auf das Rauchen von Zigaretten verzichtet werden. Interessanterweise führen bei den Jugendlichen weder die geforderten Verzichtsleistungen, noch die Leistungsanforderungen zu massiven Ablehnungen Vielmehr entsteht schnell ein positiver Ehrgeiz, „gut zu sein“, Wir beobachten immer wieder, dass „Fördern“ eben auch „Fordern“ beinhaltet. Bedingt durch die Verfügbarkeit der unterschiedlichen Standorte, die konzeptionell ähnlich ausgerichtet sind, kann im Rahmen von Kriseninterventionen, Krisenpräventionen, aber auch als soziales Übungsfeld ein kurzfristiger Wechsel des Aufenthaltsortes der Jugendlichen ermöglicht werden. Dies kann z.B. für manche Jugendliche eine neue Chance bedeuten, anders und „glücklicher“ in eine soziale Gruppe herein zu finden, bringt Reiseerlebnisse mit sich (z.B. Flug in die Türkei) und gibt den Jugendlichen das Gefühl, „in der Welt zu sein“ und nicht nur „gefangen in einer Institution“.

 

Das Durchschnittsalter der Jugendlichen bei Aufnahme lag in der Vergangenheit zwischen 15 und 16 Jahren. Der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund lag bei ca. 20-30%, der Anteil von Jugendlichen mit psychiatrischen Erkrankungen, die eine dauerhafte Medikation erfordern, lag bei ca. 20%. Der Anteil von weiblichen Jugendlichen lag bei ca. 35-40%. Der Anteil der Jugendlichen, die aus den neuen Bundesländern stammen, lag bei 55-60%. Bisher konnten fast alle Jugendlichen, die die Maßnahme regulär abgeschlossen haben, Schulabschlüsse erwerben und Ausbildungsplätze finden.

 

Quelle: modifizierter Auszug aus

Für Kinder engagiert - mit Jugendlichen auf dem Weg: Integrativ -systemische Arbeit mit Kindern. Biopsychosoziale Therapie mit Jugendlichen. Gesellschaftliches Engagement in Zeiten des Umbruchs von Haci Bayram, Jenifer Bukokhe, Carmen Feuchtner, und Hilarion G. Petzold von Krammer (Broschiert - Dezember 2009)